Jean Sibelius schreibt über drei gedämpfte, rätselhafte Akkorde im langsamen Satz seines Streichquartetts op. 56: „Voces intimae“ (innere Stimmen). Dieser handschriftliche Eintrag des Komponisten verleiht schliesslich dem bekannten Werk den Beinamen.
Unser Sprachgebrauch zeigt ein ambivalentes Verhältnis zum Begriff «innere Stimmen». Einerseits versprechen wir uns Stabilität, mentale Stärke und psychische Gesundheit, wenn wir auf unsere innere Stimme hören und ihr folgen. Andererseits machen wir uns ernsthafte Sorgen um Menschen, die Stimmen hören.
Sibelius vereint in seinem Quartett op.56 beide Aspekte. Er schrieb dieses Werk in einer Lebensphase, die von grössten gesundheitlichen Problemen und psychischer Instabilität geprägt war. Es liegt nahe, dass seine inneren Stimmen den angespannten Zustand widerspiegeln und oft verängstigenden, bedrohlichen Charakter haben. So hören wir in seinem Streichquartett zwar endlos wirkende Linien, eine Urkraft und monumentalen Aufbau, aber auch unvermutete Brüche, vollkommen Isoliertes, Zögerliches, Schwankendes und Verunsicherndes.
Sibelius selbst widerstrebte es, seine Werke verbal zu erklären. Lassen wir also seine Musik und die „inneren Stimmen“ auf uns wirken.
Eine Gelegenheit dazu bietet unser „Winterkonzert“ am 30. Januar 2022 in der Kirche Kyburg.